Zusammenfassung
Der jugoslavische Botschafter Dr. France Hočevar, damals zu Bukarest, überreichte der Serbischen Akademie der Wissenschaften und Künste eine grossmütige und kostbare Gabe, indem er ihr eine Abschrift vom Manuskript des Bergrechts des Despoten Stephan Lazarević aus dem Jahre 1412 schenkte. Seit dem Jahre 1913, als Fehim Spaho eine serbische Überzetzung des türkischen Sachsenrechts veröffentlichte, hat man bestimmt gewusst, dass der türkische Text eine Übersetzung aus dem Serbischen darstellte. Folglich war die Übersetzung Spaho's eine Rückübersetzung und daher konnte man diese wissenschaftlich nur mit äusserster Vorsicht und mit verständlichem Misstrauen verwerten, das um so angebrachter erschien, als die türkische Handschrift, die als Grundlage der serbischen Übersetzung diente, aus einer späten Epoche stammt und ihr Abschreiber unzuverlässig gewesen zu sein scheint. Doch wurde diese Abschrift mit grosser wissenschaftlicher Neugier aufgenommen und sorgsam untersucht, obwohl die Ergebnisse der Untersuchungen stets ein Element der Unsicherheit enthielten, welche nicht bestehen würde, wenn es sich um einen serbischen Originaltext gehandelt hätte. Jetzt liegt er vor uns und liefert einen ausgezeichneten Beweis dafür, wie berechtigt das Misstrauen war, das man gegen die serbische Übersetzung des türkischen Texts hegte.
Diese prachtvoll ausgestattete und gewissenhaft abgeschriebene Handschrift enthält nicht nur das Bergrecht des Despoten Stephan Lazarević, für das berühmte mittelalterliche Bergwerk Novo Brdo bestimmt, sondern auch einen Auszug aus dem Statut von Novo Brdo, dessen Bestehen schon seit dem Jahre 1890 feststand; in diesem Auszug sind nur jene Artikel des Statuts von Novo Brdo eingetragen, die sich auf die Bergleute und das Bergwesen beziehen.
Manuskript des Bergrechts des Despoten Stephan Lazarević aus dem Jahre 1412
Der serbische Text des Bergrechts stellt einen grossen Gewinn nicht nur für die jugoslavische, sondern in gleichem Masse auch für die internationale Wissenschaft dar, da von allen Einzelrechten im Mittelalter gerade das Bergrecht, wie kein anderes, ein europäisches Recht ist, in welchem jedoch verschiedene Typen zu unterscheiden sind. Das serbische Bergrecht gehört zum deutschen Typus, und um es richtig zu verstehen, muss man dessen alpine, sächsische und fränkische Variante kennen. Ausser dem ist es unbedingt notwendig, sich mit dem böhmischen, als dem Bergrecht eines slavischen, und dem ungarischen, als dem Bergrecht eines Nachbarvolkes, vertraut zu machen. All dies sind wichtige wissenschaftliche Aufgaben, denen die Entdeckung des serbischen Originaltexts des Bergrechts des Despoten Stephan Lazarević eine zuverlässige Grundlage verleiht. Dieses ist im Manuskript in Artikel eingeteilt, und sämtliche Artikel tragen regelmässig eine Überschrift; ich habe das ganze Bergrecht in zweiundfünfzig Artikel eingeteilt und diese mit arabischen Ziffern bezeichnet.
Während wir für das serbische Bergrecht wenigstens seine Rückübersetzung aus der türkischen Übersetzung zu Hilfe ziehen konnten, verfügte die Wissenschaft für das Statut von Novo Brdo nicht einmal über eine solche Aushilfe. Jetzt liegt uns ein sehr wichtiger und interessanter Auszug cus diesem Statut vor. Er enthält auch regelmässig eine kurze Inhaltsangabe vor einem jeden seiner Artikel; ich habe diesen Auszug in dreiundzwanzig Artikel eingeteilt und diese mit römischen Ziffern bezeichnet.
Es erübrigt sich wirklich die Bedeutung dieses ganzen Manuskripts als Geschichtsquelle für das Studium der Wirtschafts- und Verwaltungsentwicklung des mittelalterlichen Serbien des langen und breiten zu beweisen, denn sie ist vollkommen offenbar. Das ist nicht nötig, aber man muss die ungeahnte Wichtigkeit dieses Manuskripts als eines Sprachdenkmals hervorheben. Der Text ist nämlich vorwiegend in der serbischen Umgangssprache geschrieben, die höchst interessante Eigentümlichkeiten des damaligen Dialekts von Novo Brdo enthält. Von dieser Seite also rühren keine Schwierigkeiten für das richtige Verstehen dieses Denkmals her, wohl aber sehr grosse Schwierigkeiten von einer anderen Seite.
Manuskript des Bergrechts des Despoten Stephan Lazarević aus dem Jahre 1412
Das serbische Bergrecht im Mittelalter gehörte zum deutschen Typus, d.h. die meisten technischen Fachausdrücke waren der mittelhochdeutschen Sprache entlehnt; dieser Umstand ist jedoch nicht genügend berücksichtigt worden, sondern man hat diese Ausdrücke aus der neuhochdeutschen Sprache zu erklären versucht, was natürlich zu manchen Fehlern führen musste. In allen übrigen Bergrechten des Mittelalters, die zum deutschen Typus gehörten, wurden die technischen Termini fast ausschliesslich aus der mittelhochdeutschen Sprache übernommen. Bei uns war es anders. In unserem Bergrecht gibt es, ausser den der mittelhochdeutschen Sprache entlehnten Fachausdrücken, auch solche Termini, welche aus dem Griechischen, Romanischen (Dalmatischen und Italienischen) und Türkischen übernommen wurden. Diese Verschiedenartigkeit der Einflüsse, welche in den serbischen Ländern die Regel ist, bereitet bei der Auslegung dieses Denkmals ausserordentlich grosse Schwierigkeiten, und aus diesem Grunde stellte die Ausarbeitung eines Glossars eine sehr schwierige Aufgabe dar.
Ich habe meiner Ausgabe des Bergrechts des Despoten Stephan Lazarević folgende Anordnung gegeben: die Einleitung besteht aus drei Kapiteln, in welchen zuerst Novo Brdo als Bergwerkstadt behandelt wird, alsdann die Bergwerksgesetzgebung im mittelalterlichen
Serbien und schliesslich das vorliegende Bergrecht selbst und der ihm folgende Auszug aus dem Statut von Novo Brdo. Nach der Einleitung kommt der Text, der mit Vergleichsmaterial versehen ist, und endlich das Glossar. In diesem Glossar wurden sämtliche Wörter eingetragen, die dem Durchschnittsleser unverständlich sein dürften. Dem Glossar ist eine dreifache Aufgabe zugedacht: aus ihm soll man ersehen, in welchen Artikeln das betreffende Wort vorkommt, und auf diese Weise ersetzt es das Wörterverzeichnis, ferner gibt es Erläuterungen der einzelnen Wörter und schliesslich bietet es, in allen Fällen, wo dies notwendig ist, neben den Erläuterungen auch einen ausführlicheren Kommentar. All dies dient einem einzigen Zweck — die Erforschung dieser wichtigen Quelle zur wirtschaftlichen und administrativen Entwicklung des mittelalterlichen Serbien zu erleichtern.
Als diese Ausgabe des Bergrechts des Despoten Stephan Lazarević bereits druckfertig war, wurde die Wissenschaft durch die Nachrichten über zwei weitere Handschriften dieses Gesetzes bereichert. Von der Entdeckung des serbischen Texts informiert, berichtete mir der bekannte Orientalist Nicoarä Beldiceanu aus Paris, dass er in der dortigen Nationalbibliothek (Bibliotheque Nationale) eine türkische Übersetzung desselben Bergrechts gefunden habe, und teilte mir einige Fragmente ihres Texts in französischer Sprache mit. Er warte auf die Veröffentlichung des serbischen Texts, um seine Ausgabe der türkischen Übersetzung in Druck zu geben. Dies wäre das erste der beiden oben erwähn¬ten neuen Manuskripte des Bergrechts des Despoten Stephan Lazarević. Das zweite Manuskript hat Akademiemitglied Petar Kolendić als Nr. 236 unter den Handschriften der Stadtbibliothek in Split entdeckt. Es ist eine Übertragung des serbischen Texts des Bergrechts aus der zyrillischen in die lateinische Schrift, hergestellt im Auftrage Fran Markanić's im Jahre 1638 für Ćiprovac (Čiprovaci), eine Bergwerksortschaft in Westbulgarien. Des Wichtigste über diese zwei neuen Handschriften des Bergrechts wird in einem Exkurs dargelegt, der sich an den serbischen Text des Bergrechts anschliesst; dort wird auch das Verhältnis zwischen dem in zyrillischer Schrift erhaltenen serbischen Text des Bergrechts und seiner in lateinischer Schrift auf uns gekommenen Übertragung aufgezeigt. Nach diesem Vergleich wird noch klarer, ein wie grosser Gewinn für die Wissenschaft die Entdeckung des Bergrechts des Despoten Stephan Lazarević in der ursprünglichen zyrillischen Schrift war; weder die türkische Übersetzung noch die Abschrift in lateinischen Lettern enthalten den vollständigen Text dieses berühmten Gesetzes.